Was haben wir nicht alles vor unserer Einreise von anderen Reisenden ueber Aethiopien gehoert: euer Auto wird von Kindern mit Steinen beworfen; jeder, der mit euch redet, will am Ende Geld oder irgendetwas anderes; ihr werdet mit “youyouyou”, “giveme giveme giveme” oder “moneymoneymoney” begruesst; die Versorgungslage ist schlecht; die Menschen ruecken dir staendig auf die Pelle und in Addis Abeba musst du dich vor schraegen Typen in acht nehmen.
Na dann fahren wir mal los!
Um es vorwegzunehmen: Aethiopien ist das Land, in dem wir bislang am meisten Zeit verbracht haben. Bei unserer baldigen Ausreise werden es wohl 2 Monate sein, weil es uns so gut gefallen hat. Zugegeben es ist ein extremes Land in dem wir Ruhe und Alleinsein vergeblich gesucht haben, aber wir haben genau dadurch eine sehr intensive Zeit hier in Aethiopien gehabt.
Die Landschaft hat uns vom ersten Moment an fasziniert. Wahnsinnig alte, schoene Baeume fuegen sich in die bergige Landschaft und nach wenigen Kilometern sieht es wieder voellig anders aus. Ueber ein Viertel der Landesflaeche liegt ueber 2000 Hoehenmetern und das haben nicht nur wir sondern auch unser Bernie gemerkt.
Was die Menschen angeht, hat uns ein Eindruck vom ersten Augenblick an nicht mehr losgelassen: “Mann, sind das viele Leute hier und sie sind alle so jung.” Fast 50% der Aethiopier sind juenger als 15 Jahre.
Die Menschen haben wir sehr unterschiedlich erlebt. Manche sind neugierig, aber zurueckhaltend und nett waehrend bei anderen unser Anblick eine Art Reflex auszuloesen scheint: “You, you, Mister, give me money, T-Shirt, Pen, Plastic…”
Wenn wir ueber’s Land gefahren sind, hatten wir haeufig den Eindruck in einem anderen Jahrhundert zu reisen. Die Lebensweise der Menschen erinnert an das, was wir nur aus Buechern kennen. Rundhuetten aus Holz, Lehm und Stroh, die Felder werden mit Ochsenpfluegen bestellt und waehrend die Frauen und Maedchen haeufig viel Wasser oder Holz auf ihrem Ruecken tragen, laufen die Maenner mit ihrem Allzweckstock neben her. Anschliessend in Addis Abeba die beste Pizza der bisherigen Reise oder auch Kartoffelsalat und Maultaschensuppe wie zu Hause zu essen, war dazu ein starker Kontrast.
In Aethiopien haben wir des oefteren erahnen duerfen, was es heisst mit anderen Kulturen und Mentalitaeten zu arbeiten und zu leben. Das war sehr interessant, ist aber mitunter auch echt anstrengend.
Nun aber der Reihe nach.
Nach unproblematischer Ausreise aus dem Sudan – die Beamten waren gewohnt hoeflich und hilfsbereit – ging es zum “Schlagbaum” Aethiopiens, das heisst einer Leine, die ueber die Strasse gespannt ist. Anschliessend rollten wir mit Bernie durch unglaublich schoene Landschaft in Richtung Gondar, der alten Koenigsstadt. Wobei es vermutlich passender waere zu schreiben, dass wir Bernie gequaelt haben: von ca. 400 Metern ueber NN rauf ins aethiopische Hochland auf gut ueber 2000 Meter. So viel Druckunterschied in kurzer Zeit hat uns unsere Isomatte gekostet, die das nicht verkraftet hat und gerissen ist.
Nach kurzer Burgbesichtigung in Gondar haben wir uns zuegig auf den Weg in die Simien Mountains gemacht. In diesem Nationalpark, in dem unter anderem der Ras Dashen, der mit 4.600 Metern hoechste Berg des Landes liegt, waren wir einige Tage wandern und haben die Bewegung sehr genossen. Wir hatten gutes Wetter, kaum Probleme mit der Hoehe und haben umringt von zahlreichen Baboons (eine Affenart) einige kalte Naechte in 3.600 Meter Hoehe verbracht. Den Ras Dashen haben wir letztlich nicht bestiegen, weil wir es uns mit den Scouts verscherzt haben. Jeder, der dort im Nationalpark wandern moechte, muss einen Scout mitnehmen, der bewaffnet mit einem mitlaeuft, wobei das mehr Arbeitsbeschaffung als Notwendigkeit ist. Die Besteigung des Ras Dashen ist eine dreitaegige Wanderung, so dass wir in dieser Zeit Bernie im letzten Camp, in dem einige Scouts mit ihren Familien leben, haetten stehen lassen muessen. Nun wollten uns die Herren erklaeren, wir braeuchten noch einen Scout, der das Auto bewacht. Sollten wir das nicht machen, wuerden die Kinder (wohl gemerkt, heisst das ihre Kinder, denn sonst wohnt da niemand) unser Auto mit Steinen bewerfen und beschaedigen. Da wir bereits alle moeglichen Eintritte und Gebuehren gezahlt hatten, fanden wir das ein wenig dreist, starteten –naiv wie wir sind- eine Grundsatzdiskussion, um nach 2 Stunden entnervt aufzugeben. Etwas gefrustet durch die Diskussionen und auch weil wir Bernie dort nicht (mehr) abstellen wollten, aenderten wir unsere Plaene und machten uns auf den Weg nach Norden Richtung Axum.
Wir sind den ganzen Tag schoene Piste gefahren, die Bernie gefordert und uns begeistert hat. Die bergige Landschaft ist gigantisch und das Panorama einfach klasse! In Axum angekommen, stellten wir das naechste Opfer der Hoehenunterschiede fest. Der Kuehler bat um Aufmerksamkeit und so stellten wir Bernie fuer einige Tage bei Weldehitsan in die Werkstatt. Der nette Aethiopier hat uns prompt zu sich nach Hause eingeladen, wo wir schmackhaftes Injera (das Hauptnahrungsmittel hier, eine Art uebergrosser Pfannkuchen aus Sauerteig) mit Shiro (Erbsen-, Bohnen-, Linsenbrei) und unsere erste Kaffeezeremonie geniessen durften. Die wird stets von der Frau des Hauses in einer Ecke des Wohnzimmers auf ausgelegtem frischem Gras zelebriert. Die Kaffeebohnen werden ueber einem kleinen Ofen geroestet, der Duft den Gaesten entgegen gefaechert. Anschliessend werden die geroesteten Bohnen zerstampft und mit Wasser in einer bauchigen Flasche ueber dem Feuer zum Kochen gebracht. Waehrenddessen hat Weldehitsan’s Frau frisches Popcorn zubereitet. Sobald der Kaffee fertig ist, wird er in kleinen Tassen von der Frau an den Tisch gebracht und typischerweise werden drei Runden Kaffee serviert. Eine gemuetliche, haeufig und gern praktizierte Tradition.
Wir mussten in Axum einige Tage wegen der Werkstatt warten, aber wir hatten gute Gesellschaft. Lutz aus Augsburg, den wir bereits im Sudan getroffen haben, war auch in der Stadt und gemeinsam genossen wir abends das “Fasting Injera”. In den zwei Monaten vor Ostern wird im christlich orthodoxen Teil Aethiopiens gefastet, also kein Fleisch gegessen, was uns fuer den Einstieg in die aethiopische Kueche aber sehr gut gefallen und geschmeckt hat.
Eigentlich wollten wir mit Lutz gemeinsam in die Danakil-Ebene fahren. Allerdings konnten wir in Axum den Kuehler nur notduerftig flicken und mussten daher unsere Plaene verschieben.
Weldehitsan vermittelte uns eine Werkstatt in der Provinzhauptstadt Mekelle. Dort angekommen, haben wir den Werkstattmeister Abel aufgesucht und waren von seiner zuegigen, strukturierten Arbeitsweise begeistert. Da es neben dem Kuehler noch andere Kleinigkeiten zu machen gab, blieb Bernie mehrere Tage dort und in dieser Zeit sollten wir Abel samt seiner Familie besser kennenlernen. Wir waren sehr haeufig bei ihm zu Hause eingeladen und wurden von seiner netten Frau Yosan koestlich bekocht. Wir haben uns zu vielen Themen ausgetauscht. Da sitzen wir, irgendwo in Nordaethiopien und hoeren von Abel, dass er viel von Bill Gates fuer sein eigenes Geschaeft gelernt hat, was er ueber Entwicklungshilfe, Europa und Barack Obama denkt. Yosan hatte viel Spass als Carolin sich das erste Mal am Injera-Backen versucht hat. “Revanchiert” haben wir uns mit einer Einladung zum Essen, bei der uns Abel zur Verkoestigung des Nationalgerichts Aethiopiens genoetigt hat: rohes Fleisch in Stuecken und als Tartar. Was war die Fastenzeit doch schoen 😉
Ansonsten hatten wir in Mekelle noch eine lustige Begegnung mit einem jungen Englischlehrer, der uns prompt in seinen Unterricht eingeladen hat, in dem wir dann ungefaehr 30 Jugendlichen Rede und Antwort standen: Wie ist eure Kultur in Deutschland, wie findet ihr Aethiopien, was weiss man in Deutschland von uns, kann man eine Freundin haben bevor man heiratet usw. Das war sehr unterhaltsam und auch fuer uns sehr interessant denn selbstverstaendlich haben wir auch Fragen gestellt 😉 So vergingen die Tage in Mekelle wie im Flug bevor wir als naechstes nach Lalibela aufgebrochen sind.
Lalibela ist fuer seine aus dem Fels gehauenen alten Kirchen bekannt. Der Baustil ist zweifelsohne einmalig, aber viel beeindruckender fanden wir die Religoesitaet der Aethiopier. In Deutschland haben wir noch keine so karg eingerichtete Kirche gesehen, aber auch noch nie solch einen praktizierten Glauben, der auf uns sehr wahrhaftig und ehrfuerchtig gewirkt hat.
In Lalibela haben wir Andrea und Achim getroffen, die seit knapp 2 Jahren mit Paulchen, ihren Mercedes-Rundhauber einmal um Afrika fahren. Gemeinsam haben wir unsere Plaene ausgetauscht und festgestellt, dass die beiden sich auch fuer die Danakil-Ebene interessieren. Leider war Lutz schon in Richtung Somaliland unterwegs, so dass wir beschlossen die Fahrt zu viert ohne ihn anzugehen. Da die Region recht abgelegen ist, wird stets empfohlen dorthin nur mit mindestens 2 Fahrzeugen zu fahren. So fing ein neues Highlight in Aethiopien an.
Die Danakil-Ebene wird haeufig als eine der lebensfeindlichsten Regionen der Erde beschrieben, dort auf bis zu 150 Meter unter dem Meeresspiegel werden auch die heissesten Temperaturen weltweit gemessen. Mittlerweile koennen wir uns etwas darunter vorstellen, denn die Landschaft ist tatsaechlich sehr sandig beziehungsweise staubig und karg, aber auch erstaunlich abwechslungsreich. Auf wenigen Kilometern haben wir Sulfatquellen, die alle erdenklichen Farben hervorbringen, Salz-und Schwefelseen, den Erta Ale und den Salzabbau der dort lebenden Afar bestaunen koennen. Das war zum Teil ziemlich unwirklich, aber stets sehr beeindruckend. Die naechtliche Wanderung und Beobachtung des Erta Ale werden wir nicht vergessen. Das ist ein aktiver Vulkan in dessen Krater ein Lavasee brodelt. Wir haben uns kaum satt sehen koennen an der schnell erkalteten Lavaschicht wenn sie durch die hoch steigende Lava wieder aufbricht. Ein faszinierendes und einmaliges Schauspiel, das uns trotz des extremen Schwefelgestanks lange gefesselt hat.
All das war aber auch recht anstrengend, denn es war heiss und staubig. Die Temperaturen waren krass – tagsueber hatten wir bis zu 47 Grad im Schatten, nur dass es kaum welchen gab, und nachts war es nicht deutlich kaelter. Schlafen bei 38 Grad ist nicht so kuschelig wie es klingt 🙂
Wir vier waren sehr froh mit Haile Mariam einen zuverlaessigen und sympathischen Guide gefunden zu haben. Denn das Volk der Afar, das in dieser Region lebt, ist nicht ueberschwaenglich gastfreundlich und besteht darauf Scouts und Guides wenn schon nicht mitzunehen, dann doch wenigstens zu bezahlen. Die Verhandlungen haben wir Haile Mariam ueberlassen koennen, was wir – vor allem nach der Erfahrung in den Simien Mountains – sehr zu schaetzen wussten.
Im Anschluss an diese sehr gelungene und beeindruckende Tour haben wir uns auf den Weg in Richtung Sueden, nach Addis Abeba gemacht.
In Addis Abeba angekommen, haben wir in “Wim’s Holland House” gecampt und die Tatsache genossen, endlich mal wieder in unserem schoenen Dachzelt zu schlafen. Bis dahin haben wir es bis auf vereinzelte Ausnahmen vorgezogen in Hotels zu schlafen. Zum einen ist das bei Zimmerpreisen zwischen 2 und 15 Euro fuer das Budget in Ordnung. Zum anderen haben wir weitgehend auf das Wildcampen verzichtet, da die Menschen hier ein anderes Distanzgefuehl haben, was fuer uns mitunter ziemlich anstrengend werden kann. In einem Dorf zum Beispiel hatten wir unsere erste Reifenpanne (natuerlich nach einem anstrengenden Tag bei einsetzender Daemmerung) und es standen innerhalb einer Minute 40 Leute um unser Auto. Zum Teil standen sie so dicht an Bernie, dass wir uns Platz schaffen mussten, um ueberhaupt das Werkzeug aus dem Auto zu holen. Das zieht sich haeufig –nicht in gleicher, aber aehnlicher Intensitaet- durch den Tag und dann ist ein Zimmer eine schoene Ruheoase 😉
In Addis Abeba haben wir viel Orgakram erledigt, Lutz wiedergetroffen und dieses Mal mit ihm sowohl lokale als auch internationale Kueche genossen. Dabei haben wir gemerkt, dass sich in der Hauptstadt das bis dahin beobachtete taegliche Leben leicht vergessen laesst. Es gibt alles, was das Herz begehrt und das Portemonnaie bezahlen kann und so haben wir uns sogar einmal den Luxus von Massage und Sauna gegoennt.
Was wir aber auch hier taeglich merken, ist was es heisst eine so komfortable Infrastruktur wie in Europa zu haben. Viele, scheinbar einfache Dinge sind uns in ihrer Bedeutung nicht so bewusst sondern vielmehr selbstverstaendlich gewesen. Staendige Strom- und Wasserversorgung, Postzustellung, “bargeldlose” Zahlungen ;), schnelles Internet und die damit verbundene Fuelle an Informationen.
Dennoch hat uns Aethiopien ueberrascht. Bei dem Gedanken an das Land hatten wir in erster Linie eines der aermsten Laender der Welt vor Augen, in dem Menschen an Hunger sterben und an Krankheiten, die bei uns heilbar sind bzw. gar nicht mehr vorkommen. Entsprechend trostlos, traurig und bedrueckend haben wir uns eine Reise durch Aethiopien vorgestellt. Umso mehr freut uns festzustellen, dass die Realitaet vielfaeltiger ist als unser “europaeisches Bild”. Ja, es ist gemessen am Lebensstandard fuer die meisten ein armes Land, in dem es Menschen gibt, die sich kaum etwas leisten koennen und Muetter, die mit ihren Kindern auf der Strasse schlafen muessen. Aber es gibt einige, die ein – zumindest von aussen betrachtet – auch fuer unsere Augen normales Leben fuehren und wir haben Aethiopiens Image eher durch die zahllosen Hilfsprojekte in allen Doerfern besteaetigt gesehen als durch die Aethiopier selbst.
Nun wollen wir uns dem Sueden des Landes widmen, bevor wir unsere Reise nach Kenia fortsetzen.